Minenräumerin Fatou: schon 50 Minen entschärft

Senegal

Sieben Jahre Berufserfahrung, mehr als 50 Minen gefunden und zerstört: Das ist die eindrucksvolle Erfolgsbilanz der erst 31-jährigen Fatou Diaw. Sie geht mit dem Metalldetektor ebenso sicher um wie mit der Sonde oder der Sense. Sie kennt alle Facetten des Berufs der Minenräumerin. Fatou erzählt uns, wie für sie daraus eine Leidenschaft wurde.

Minenräumerin Fatou legt ihre Schutzkleidung an, um sich für ihre riskante Arbeit vorzubereiten | © J-J. Bernard / Handicap International

Es ist 16 Uhr, als Fatou Diaw nach Hause kommt, am Stadtrand von Ziguinchor, der Provinzhauptstadt von Casamance. Nachdem sie ihre beiden Söhne, den elf Monate alten Pabomar und den vierjährigen Mamadulami begrüßt hat, kehrt sie zurück in die Routine des Familienlebens: Sie bereitet das Abendessen zu und badet die Jungen, bevor sie sie ins Bett bringt. Ihr Mann, der Schneider in Dakar ist, kommt nur einmal im Vierteljahr nach Hause. Ihre 22 Jahre alte Nichte Fani, die mit ihr im selben Haus lebt, erzählt: „Viele von meinen Freunden in der Schule sind überrascht, wenn sie erfahren, dass mein Tante diesen Berufen ausübt. Er ist körperlich sehr anstrengend!“

In einer Gegend, in der man von Frauen erwartet, dass sie sich hauptberuflich um ihre Kinder kümmern, ist eine junge Mutter, die als Minenräumerin arbeitet, etwas Besonderes. Fatou mache ihre Arbeit sehr gern, berichtet sie uns begeistert. Denn wenn sie Minen entschärft, wisse sie, dass sie anderen Menschen hilft. Denjenigen, die ihre Dörfer oder ihre Felder verlassen mussten. Und denjenigen, die wegen des Konfliktes vertrieben wurden und die jetzt nach Hause zurückkehren, obwohl noch überall Minen liegen können.

„Indem ich Minen entschärfe, rette ich Leben.“

Das Räumen von Minen ist hier im Süden des Senegal  immer noch aktuell. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die die Casmance seit 30 Jahre erschüttert haben, sind zwar nur noch eine böse Erinnerung. Doch die vielen Minen, die während der Kampfhandlungen verlegt wurden, bleiben. Oftmals liegen sie am Rande der Dörfer und bedrohen so das Leben der Bevölkerung.  

 

Ein glücklicher Zufall

Für Fatou begann alles 2008, als sie in der Zeitung auf eine Anzeige von Handicap International stieß, in der nach Minenräumern gesucht wurde: „Ich suchte Arbeit. Ich wusste nicht genau, worin diese Arbeit bestand. Ich habe mich beworben. Bei meinem Vorstellungsgespräch hat man mir dann erklärt, worum es sich handelt. Es hat mir sofort gefallen. Einer meiner Cousins ist 2001 bei einem Minenunfall gestorben. Er war damals Anfang 20. Er war auf eine Mine getreten. Beide Beine wurden bei der Explosion abgerissen und zwei Stunden später ist er gestorben. Das war ein Schock für mich.“

Aus zwölf Bewerbern werden nach einer Probezeit nur zwei ausgewählt, eine von den beiden ist schließlich Fatou. Nach sechs Wochen Ausbildung kommt der Moment des ersten Einsatzes: In der ersten Woche ist sie sehr angespannt. Und ein bisschen enttäuscht, weil sie nichts findet. Ihr Chef sagt ihr, sie solle nicht ungeduldig sein, sie werde bald eine Mine finden. Und so ist es! Als sie ihre erste Mine gefunden hat, gefriert ihr das Blut in den Adern und sie schreckt zurück. Sie ruft einen Kollegen, der für sie weitermacht. Danach findet sie immer mehr Minen und gewöhnt sich sehr schnell an die Arbeit. Seit sie nun als Minenräumerin arbeitet, hat sie schon über 50 Minen gefunden.

 

Bei der Arbeit

Man muss Fatou bei ihrer Arbeit gesehen haben. Die Welt um sie herum scheint vergessen, sie ist vollkommen auf ihre Tätigkeit konzentriert, jede Bewegung, jede Geste sitzt – ganz gleich, ob sie einen Metalldetektor bewegt oder eine Mine entschärft. Fatou weiß, dass man sich hier keinen einzigen Fehler erlauben darf.   

Die Minenräumer freuen sich, wenn sie eine Mine finden. Das ist so wie Angler sich freuen, wenn ein Fisch anbeißt“, erklärt der Leiter des Entminungsteams von Handicap International, Charles Coly. „Das ist ihre Belohnung für eine gut gemachte Arbeit. Eine zerstörte oder entschärfte Mine, das sind Leben, die gerettet wurden! Die Minenräumer wissen, wie wichtig ihre Arbeit ist und sie sind stolz darauf.“

Fatou erinnert sich daran, wie sie einmal auf eine Mine stieß, die mit einem Stolperdraht verbunden war. Das klingt sehr gefährlich, doch tatsächlich ist es wichtig, die Regeln ganz genau einzuhalten: ganz vorsichtig einen Stock benutzen, ohne Kraft anzuwenden, und den Draht von allen Pflanzen freilegen, bis zu dem Ende, wo sich das Objekt befindet. Das kann auch eine Granate sein oder eine improvisierter, selbstgebauter Sprengsatz. Dann wird das Objekt vor Ort zerstört.  

 

Konzentration und Geduld

Die meisten Menschen denken, dass das Räumen von Minen reine Männerarbeit sei. Dabei darf man die körperliche Anstrengung nicht unterschätzen, die diese Tätigkeit mit sich bringt. Die Hitze, die unter dem Schutzanzug entsteht; wie ermüdend es ist, ständig konzentriert zu sein, in unbequemer Haltung, auf Knien rutschend, gebückt… An manchen Tagen sind die Teams wirklich stark gefordert. Doch das scheint für Männer wie für Frauen gleich anstrengend. Sie machen die gleiche Arbeit. Und es sind immer mehr Frauen, die diese sinnvolle Arbeit wählen.  

Wir fragen Fatou: Was ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Minenräumer haben muss? „Man muss sehr geduldig sein, denn manchmal arbeitet man sehr lange und findet nichts. Oft ist man erschöpft, aber man muss immer konzentriert bleiben.“ Sobald man sich entspannt, kann man eine falsche Bewegung machen und dadurch einen Unfall auslösen. Deshalb muss man immer sehr klar im Kopf sein und sich nicht ablenken lassen. Es ist wichtig, geistig gut vorbereitet zu sein.

Im Senegal hat die Entminung mit Hilfe von humanitären Organisationen wie Handicap International Ende 2000 begonnen. Das Land hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2021 minenfrei zu sein. Handicap International plant im Jahr 2016, insgesamt 55.000 Quadratmeter zu entminen, das entspricht einer Größe von etwa acht Fußballfeldern.

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